Prüfungsschema zur schweren Körperverletzung (226 StGB): Täter verursacht wenigstens fahrlässig (Abs. 1) oder gar absichtlich / wissentlich (Abs. 2) eine besonders schwere Körperverletzungsfolge.
Abs. 1 ist Erfolgsqualifikation und Abs. 2 Qualifikation zur Körperverletzung (§ 223 StGB).
Siehe zum Unterschied die Übersicht: Qualifikation, Erfolgsqualifikation, besonders schwerer Fall
Ist zwar das Grunddelikt erfüllt, die (Erfolgs-)Qualifikation jedoch nicht erfüllt, sollten beide getrennt geprüft werden, um zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Bei der (Erfolgs-)Qualifikation wird dann im Tatbestand kurz auf die Verwirklichung des Tatbestandes des Grunddeliktes verwiesen.
Ist das Grunddelikt erfüllt und verursacht der Täter die schwere Folge lediglich fahrlässig, ist eine Erfolgsqualifikation nach Abs. 1 zu prüfen. Ausweislich des expliziten Wortlautes des Abs. 2 reicht für die dortige Qualifikation eine bedingt vorsätzliche (dolus eventualis) Begehung nicht aus, sodass auch in diesem Fall eine Erfolgsqualifikation nach Abs. 1 zu prüfen ist.
Auch hier empfiehlt sich eine getrennte Prüfung; u.a. aufgrund der unterschiedlichen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen von Grunddelikt (Vorsatz) und Erfolgsqualifikation (zumindest fahrlässig). Siehe zum Aufbau ausführlich das Grundschema: Erfolgsqualifiziertes Delikt (§ 18 StGB). Hier in Kürze:
I. Tatbestand 1. Verweis auf das bereits geprüfte Grunddelikt des § 223 I StGB 2. Eintritt einer schweren Folge i.S.v. § 226 I Nr. 1 - 3 StGB 3. Kausalität und objektive Zurechnung 4. Tatspezifischer Gefahrzusammenhang zwischen Grunddelikt (§ 223 StGB) und schwerer Folge (§ 226 I Nr. 1 - 3 StGB) 5. Objektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB) a) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung b) Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolges II. Rechtswidrigkeit III. Schuld 1. Subjektive Fahrlässigkeitselemente (§ 18 StGB) a) Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung b) Subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolges 2. Entschuldigungsgründe |
Ist das Grunddelikt erfüllt und verursacht der Täter die schwere Folge absichtlich (dolus directus 1. Grades) oder wissentlich (dolus directus 2. Grades), ist § 226 StGB gem. Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 als Qualifikation zu prüfen. Beachte: Bedingter Vorsatz (dolus eventualis) reicht ausweislich des expliziten Wortlautes des Abs. 2 ausnahmsweise nicht aus. Bei der Qualifikation empfiehlt es sich, im objektiven und subjektiven Tatbestand jeweils zunächst die Voraussetzungen des Grunddeliktes und dann jene der Qualifikation zu prüfen:
I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a) Objektiver Tatbestand des Grunddelikts (§ 223 StGB) b) Objektiver Tatbestand der Qualifikation / Eintritt der schweren Folge (§ 226 StGB) 2. Subjektiver Tatbestand a) des Grunddelikts (§ 223 StGB) b) der Qualifikation / schweren Folge (§ 226 StGB) II. Rechtswidrigkeit III. Schuld |
Verlust = Dauerhafte, praktische Aufhebung
Dauerhaft = Nicht durch übliche, zumutbare OP behebbar (vgl. Nr. 3); jedoch nicht ausgeschlossen durch nur temporär mit dem Körper verbundene Hilfsmittel, die Auswirkungen des Verlustes mildern (z.B. Sehhilfen, Hörgeräte)
Praktische Aufhebung = Wesentliche Unbrauchbarkeit (kein vollständiger Verlust nötig; z.B. bereits bei Minderung des Sehvermögens auf 10 Prozent)
Sehvermögen = Fähigkeit, Gegenstände visuell wahrzunehmen
Gehör = Beide Ohren (Arg.: nicht wie beim Auge nur eins genannt)
Sprechvermögen = Fähigkeit artikuliert zu Reden (z.B. Stottern ausreichend)
Verlust = Völliger physischer Verlust (str.; aber irrelevant, da ‚dauernde Unbrauchbarkeit‘ der weitere Begriff)
Dauernde Unbrauchbarkeit = Dauernde Funktionsunfähigkeit ohne medizinische Heilungsmöglichkeit
Glied = Jedes durch Gelenk verbundene Körperteil (str.; a.A.: auch Organe, a.A.: auch Nase und Ohren)
Wann ist ein Glied "wichtig"?
e.A. Allgemeine Bewertung
Generellen Bedeutung des Gliedes für den Gesamtorganismus;
wichtig ist demnach z.B. der Daumen und der Zeigefinger, nicht jedoch die anderen Finger
Rspr. Individualisiert-allgemeine Bewertung
Bedeutung des Gliedes für den Gesamtorganismus unter Berücksichtigung dauerhafter körperlicher Besonderheiten;
wichtig ist demnach z.B. jeder Finger der linken Hand für einen Linkshänder
h.L. Individuelle Bewertung
Individuelle Bedeutung des Gliedes für das Opfer;
wichtig ist demnach z.B. jeder Finger für einen Klavierspieler
Beispiele: Die Versteifung eines Kniegelenks; Lähmung eines Arms
Entstellung = Verunstaltung der Gesamterscheinung, die einen unästhetischen Eindruck vermittelt
Erheblich = Nach ihrem Gewicht mindestens der geringsten anderen in § 226 genannten Folgen gleichkommend
Beispiel: Große, markante Narben im Gesicht; nicht: einzelne Narben am Oberschenkel
Dauernd = Nicht durch übliche, zumutbare OP oder Prothesen behebbar
Beispiel: Nicht durch Implantate behebbarer Zahnverlust oder durch Laserbehandlung entfernbare Narben
Siechtum = Chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus in Mitleidenschaft zieht und ein Schwinden der körperlichen und geistigen Kräfte zur Folge hat
Lähmung = Den ganzen Menschen ergreifende Bewegungsunfähigkeit (str.; a.A. auch erhebl. teilweise)