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StGB  
Strafgesetzbuch

StrafrechtStrafrecht BT

Nichtvermögensdelikte

(1) Wer entgegen einer auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnung über ein Gebiet, das eines besonderen Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche bedarf oder in dem während austauscharmer Wetterlagen ein starkes Anwachsen schädlicher Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen zu befürchten ist, Anlagen innerhalb des Gebiets betreibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Ebenso wird bestraft, wer innerhalb eines solchen Gebiets Anlagen entgegen einer vollziehbaren Anordnung betreibt, die auf Grund einer in Satz 1 bezeichneten Rechtsverordnung ergangen ist. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge.
(2) Wer entgegen einer zum Schutz eines Wasser- oder Heilquellenschutzgebietes erlassenen Rechtsvorschrift oder vollziehbaren Untersagung
1.
betriebliche Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen betreibt,
2.
Rohrleitungsanlagen zum Befördern wassergefährdender Stoffe betreibt oder solche Stoffe befördert oder
3.
im Rahmen eines Gewerbebetriebes Kies, Sand, Ton oder andere feste Stoffe abbaut,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Betriebliche Anlage im Sinne des Satzes 1 ist auch die Anlage in einem öffentlichen Unternehmen.
(3) Wer entgegen einer zum Schutz eines Naturschutzgebietes, einer als Naturschutzgebiet einstweilig sichergestellten Fläche oder eines Nationalparks erlassenen Rechtsvorschrift oder vollziehbaren Untersagung
1.
Bodenschätze oder andere Bodenbestandteile abbaut oder gewinnt,
2.
Abgrabungen oder Aufschüttungen vornimmt,
3.
Gewässer schafft, verändert oder beseitigt,
4.
Moore, Sümpfe, Brüche oder sonstige Feuchtgebiete entwässert,
5.
Wald rodet,
6.
Tiere einer im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes besonders geschützten Art tötet, fängt, diesen nachstellt oder deren Gelege ganz oder teilweise zerstört oder entfernt,
7.
Pflanzen einer im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes besonders geschützten Art beschädigt oder entfernt oder
8.
ein Gebäude errichtet
und dadurch den jeweiligen Schutzzweck nicht unerheblich beeinträchtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten in einem Natura 2000-Gebiet einen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck dieses Gebietes maßgeblichen
1.
Lebensraum einer Art, die in Artikel 4 Absatz 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7) oder in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/17/EU (ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 193) geändert worden ist, aufgeführt ist, oder
2.
natürlichen Lebensraumtyp, der in Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7), die zuletzt durch die Richtlinie 2013/17/EU (ABl. L 158 vom 10.6.2013, S. 193) geändert worden ist, aufgeführt ist,
erheblich schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(5) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe
1.
in den Fällen der Absätze 1 und 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe,
2.
in den Fällen des Absatzes 3 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(6) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 leichtfertig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Quelle: BMJ
Import:
LexMea

Notwehr (§ 32 StGB)

Prüfungsschema zum Rechtfertigungsgrund der Notwehr (§ 32 StGB): Täter nimmt eine Handlung vor, die erforderlich und geboten ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf sich oder andere (dann: Nothilfe) abzuwenden.

 

  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Objektive Voraussetzungen
  3. Notwehrlage
  4. Gegenwärtiger Angriff
  5. Notwehrfähiges Rechtsgut
  6. Rechtswidrigkeit
  7. Notwehrhandlung
  8. Verteidigungshandlung
  9. Erforderlichkeit
  10. Gebotenheit
  11. Ausschluss des Notwehrrechts
  12. Einschränkung des Notwehrrechts
  13. Subjektive Voraussetzungen
  14. Kenntnis der Notwehrlage
  15. Verteidigungsabsicht (str.)

 

  • Rechtsgut
    Die Notwehr dient gem. der dualistischen Notwehrkonzeption sowohl den individuellen Rechtsgütern des Angegriffenen als auch der Allgemeinheit (Rechtsbewährungsprinzip; Angegriffener verteidigt die Rechtsordnung).

Die Notwehr wird im Rahmen der Rechtswidrigkeit geprüft und lässt diese bei Vorliegen entfallen.

Objektive Voraussetzungen

Notwehrlage

Notwehrlage i.S.d. § 32 StGB = Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff eines Menschen auf ein notwehrfähiges Rechtsgut des Täters (Notwehr) oder eines Dritten (Nothilfe)

Gegenwärtiger Angriff

Angriff = Jede durch menschliches Verhalten (h.M.: auch fahrlässig, durch Unterlassen oder schuldlos) drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen

Gegenwärtig i.S.d. § 32 StGB = Angriff steht unmittelbar bevor, hat begonnen oder dauert noch fort

  • Zeitliche Komponente
    Ca. Sekunden um den Angriff; ggf. auch noch nach Vollendung, aber nicht nach Beendigung (Fehlschlag, endgültige Aufgabe oder vollständige Durchführung)

 

Notwehrfähiges Rechtsgut

Notwehrfähige Rechtsgüter sind im Rahmen des § 32 StGB lediglich individuelle und keine kollektiven Rechtsgüter (h.M.).

 

Rechtswidrigkeit

Rechtswidrig = Angriff steht im Widerspruch zur Rechtsordnung

Der Angriff muss hierfür i.R.d. § 32 StGB nicht mit Strafe bedroht sein. Umfasst sind etwa auch Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts). Nicht umfasst sind jedoch Angriffe, die selbst gerechtfertigt sind – z.B. durch Notwehr (‚keine Notwehr gegen Notwehr‘).

 

Liegt Rechtswidrigkeit (Notwehr gegen Notwehr) beim unvermeidbaren Irrtum über Vorliegen eines Angriffs vor?

Beispiel: A und B täuschen einen tätlichen Streit vor. C hält dies unvermeidbar für eine Notwehrlage, will schlichten und geht auf A und B los. B hält ihn gewaltsam zurück (Nötigung, § 240 StGB). Ist das gewaltsame Zurückhalten des B aufgrund eines 'Angriffs' des C gerechtfertigt?

  • Rspr.: (+) Rechtswidrigkeit des Angriffs gegeben
    (pro): Lediglich drohendes Erfolgsunrecht des Angriffs ist entscheidend 
    Im Beispiel: Der Schlichtungsversuch des C bedeutet Erfolgsunrecht für B, sodass ein rechtswidriger Angriff des C vorliegt → Zurückhalten des B war gerechtfertigt

  • h.L.: (-) Keine Rechtswidrigkeit des Angriffs
    (pro): Verhaltensunrecht ist maßgeblich 
    Im Beispiel: Der Irrtum des C war unvermeidbar, sodass kein Handlungsunrecht vorliegt. Der Schlichtungsversuch des C ist somit kein rechtswidriger Angriff. → Zurückhalten des B war nicht gerechtfertigt

 

Liegt keine Notwehrlage vor, ist umstritten, ob ein - im Rahmen der Schuld gesondert zu prüfender - sog. „extensiver Notwehrexzess“ gem. § 33 StGB in Frage kommt. Die h.M. lehnt dies ab. Siehe hierzu das Schema Entschuldigender Notwehrexzess (§ 33 StGB).

 

Notwehrhandlung

Notwehrhandlung = Erforderliche Verteidigungshandlung, die geboten ist, um den Angriff abzuwehren.

 

Verteidigungshandlung

Die Verteidigungshandlung muss sich gegen den Angreifer wenden (keine Drittwirkung). 

Bei Handlungen, die in die Rechtsgüter Dritter eingreifen, kommen die Notstandsregelungen als Rechtfertigung in Betracht (s. das Schema bei § 34 StGB, bei § 904 BGB sowie bei § 228 BGB).

 

Erforderlichkeit

Im Rahmen des Erforderlichkeitsmerkmals des § 32 StGB wird sowohl geprüft...

  • ob die Handlung geeignet ist, den Angriff zumindest abzuschwächen oder die Gefahr der Rechtsgutsverletzung zu verringern, als auch
  • ob sie unter mehreren gleich geeigneten Mitteln das mildeste ist. Ein Ausweichen ist dem Angegriffenen dabei nicht als mildestes Mittel zuzumuten. (Merksatz: „Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen“.)

Die Notwehr des § 32 StGB erfordert keine Verhältnismäßigkeitsprüfung i.S.e. Güterabwägung. Arg.: Durch den Angriff verlieren die Rechtsgüter des Angreifers ihre Schutzwürdigkeit. Zu Einschränkungen siehe aber c) Gebotenheit.

 

Gebotenheit

Geboten i.S.d. § 32 StGB = Wenn die Rechtsordnung ihrer zur Bewährung bedarf

Aufgrund der Schärfe des Notwehrrechts bedarf es in den folgenden Fallgruppen der Einschränkungen aus rechtsethischen Erwägungen (h.M.):

Ausschluss des Notwehrrechts

In den folgenden Fällen entfällt die Gebotenheit; der Angegriffene kann sich nicht auf Notwehr berufen:

  • Bagatellangriffe des Angreifers
    Hier liegt ein Angriff vor, der die Erheblichkeitsschwelle nicht überschreitet
    z.B. Drängeln mit Körperkontakt

  • Krasses Missverhältnis zwischen Angriff und Notwehrhandlung
    Hier setzt der Verteidiger lebensgefährliche Verteidigungsmittel zum Schutz geringwertiger Rechtsgüter ein
    z.B. Schuss auf Dieb eines Kaugummis

  • Tötung als Notwehrhandlung (str.)

    • e.A.: Gebotenheit entfällt bei absichtlicher oder wissentlicher Tötung (Arg.: Art. 2 II 1 EMRK).

    • a.A.: Gebotenheit entfällt auch dann nicht (Art.: EMRK bindet nur den Staat und nicht Private).

  • Absichtliche Notwehrprovokation durch den Verteidiger
    Hier provoziert der Angegriffene den Angriff absichtlich, um sich im Schutze der Notwehr hiergegen verteidigen zu können. Nach dualistischer Notwehrkonzeption unternimmt der Angegriffene keine Verteidigung der Rechtsordnung, sondern missbraucht diese.

  • Notwehr gegen Erpressung mit Enthüllungen (str.)
    Hier droht der Angreifer dem Angegriffenen mit kompromittierenden Enthüllungen („Chantage“) → Gebotenheit der Notwehr entfällt nicht bei leichten bis mittelschweren Gegenmaßnahmen (etwa Delikte nach §§ 123, 303 StGB zur Beseitigung der Beweismittel); Gebotenheit der Notwehr entfällt jedoch bei schweren Gegenmaßnahmen (etwa Delikte gegen den Körper oder gar das Leben des Erpressers) (Arg.: Opfer hätte sich an Strafverfolgungsbehörden wenden können / sollen).

 

Einschränkung des Notwehrrechts

In den folgenden Fällen ist das Notwehrrecht eingeschränkt und der Angegriffene muss ...

  1. wenn möglich dem Angriff ausweichen,
    2. wenn ein Ausweichen nicht möglich ist, Schutzwehr üben, d.h. den Angriff abwehren, 
    3. erst wenn Ausweichen und Schutzwehr nicht möglich sind, darf er Trutzwehr üben, d.h. zum Gegenangriff übergehen.

 

  • Angriff durch Familienangehörige und besonders nahestehende Personen
    Arg.: Pflicht zu besonderer Fürsorge / Beschützergarantenstellung; a.A.: Freibrief für Ehe-/Familienmisshandlungen, daher nur bei intakten Beziehungen).

  • Angriff durch erkennbar Schuldlose oder Irrende 

  • Fahrlässige Notwehrprovokation und sonst vorwerfbar provozierte Angriffe
    e.A.: nur bei rechtswidriger Provokation; a.A.: bereits bei sozialethisch zu beanstandender Provokation; je schwerer die Provokation, desto mehr muss der Provokateur hinnehmen

 

Subjektive Voraussetzungen

Sind subjektive Rechtfertigungsvoraussetzungen nötig?

  • h.M.: (+) Ja 
    (pro) Wortlaut „um zu“; nur so wird neben dem Erfolgsunwert auch der Handlungsunwert des Angriffs beseitigt

  • a.A.: (-) Nein
    (pro) Eine objektiv erlaubte Handlung kann nicht rechtswidrig sein (wenn subj. Elemente fehlen)

Kenntnis der Notwehrlage

Kenntnis der objektiven Umstände der Notwehr / Nothilfe.

 

Verteidigungsabsicht (str.)

  • h.M.: Verteidigung muss primäres Motiv der Abwehrhandlung sein (Arg.: Wortlaut „um zu“)
    z.B. nicht: Besondere Bestrafung für Vergangenes aufgrund aufwallender Wut

  • a.A.: Keine spez. Verteidigungsabsicht erforderlich

Was ist die Folge des Nichtvorliegens der subjektiven Rechtfertigungsvoraussetzungen der Notwehr?

  • e.A.: Ganz normale Strafbarkeit nach vollendetem Delikt.

  • a.A.: Strafbarkeit nach vollendetem Delikt, aber geringere Strafzumessung (§ 49 StGB analog; „Rechtsfolgenlösung“); klausurtaktisch vorzugswürdig, da keine separate Versuchsprüfung nötig.

  • a.A.: Keine Strafbarkeit nach vollendetem Delikt, aber Versuchsstrafbarkeit (§ 23 StGB analog; „Versuchslösung“); Arg.: Wie beim Versuch nur Handlungsunwert, aber kein Erfolgsunwert vorhanden); in Klausur separate Versuchsprüfung.

 

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