StGB Strafgesetzbuch
Strafrecht AT
- 1.
- jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
- a)
- sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
- b)
- unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
- c)
- den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
- 2.
- der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
- 3.
- er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
- 4.
- die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Entschuldigender Notwehrexzess (§ 33 StGB)
Prüfungsschema zum Entschuldigungsgrund des Notwehrexzesses (§ 33 StGB), bei dem der Täter nicht bestraft wird, wenn er die Grenzen der Notwehr wegen asthenischer Affekte überschreitet.
Strittig ist vor allem, ob nur der intensive oder auch der extensive Exzess erfasst sind.
- Inhaltsverzeichnis
- Übersicht und Systematik unterschiedlicher Notwehrexzesse
- Intensiver Notwehrexzess
- Objektive Voraussetzungen
- Bestehen einer Notwehrlage (§ 32 StGB)
- Überschreiten der Grenzen der Notwehr
- Asthenischer Affekt
- Subjektive Voraussetzungen (str.)
- Extensiver Notwehrexzess
- Putativnotwehrexzess
§ 33 StGB knüpft begrifflich an die Notwehr (§ 32 StGB) an, sodass jene stets zuvor (auf der Ebene der Rechtswidrigkeit) zu prüfen ist. Fehlt dort ein Element, kommt ggf. ein Notwehrexzess in Betracht.
Der Gesetzgeber hat sich nicht eindeutig entschieden (nur: „wird nicht bestraft“), nach heute ganz h.M. wird der Notwehrexzess jedoch auf der Ebene der Schuld geprüft.
(pro): Die persönliche Vorwerfbarkeit des individuellen Täters ist reduziert, wenn dieser aus einem asthenischen Affekt (s.u.) heraus handelt, sich also in einem psychischen Ausnahmezustand befindet.
Übersicht und Systematik unterschiedlicher Notwehrexzesse
Die zuvor zu prüfende Notwehr (§ 32 StGB) setzt im Rahmen der objektiven Voraussetzungen eine Notwehrlage sowie eine (erforderliche und gebotene) Notwehrhandlung voraus. Je nachdem, welches Merkmal der Notwehr fehlt, wird in verschiedene Arten des Notwehrexzesses (§ 33 StGB) unterschieden:
-
Intensiver Notwehrexzess
Liegt eine Notwehrlage vor, überschreitet der Täter jedoch die Grenzen der Notwehrhandlung (nicht erforderlich und / oder geboten) aufgrund zu intensiver (daher der Name) Gegenmaßnahmen kommt nach dem Wortlaut des § 33 StGB ein intensiver Notwehrexzess in Betracht.
Beispiel: A geht mit einem Schlagstock auf B zu und will ihn ausrauben. Als lokaler Schützenkönig könnte B den Angreifer durch gezielte Schüsse in die Beine mit genügend Abstand zu Fall bringen. Aus heftiger Furcht heraus entscheidet er sich jedoch für einen tödlichen Schuss in den Kopf.
- Extensiver Notwehrexzess
Liegt keine Notwehrlage vor, weil der Angriff noch nicht oder nicht mehr vorliegt, überdehnt der Täter also die zeitlichen Grenzen (daher der Name), kommt nach e.A. über den Wortlaut des § 33 StGB hinaus ein extensiver Notwehrexzess in Betracht.
Beispiel: A geht mit einem Schlagstock auf B zu und will ihn ausrauben. Als B seine Pistole zieht und einen Warnschuss abgibt, dreht A postwendend um und rennt davon. B ist kurz verwirrt und feuert aus starker Verwirrung, auf den bereits weit geflüchteten A.
- Putativnotwehrexzess
Liegt keine Notwehrlage vor, weil ein Angriff nie vorlag / nicht vorliegt, irrt der Täter jedoch hierüber (daher der Name; „putativ“ = lat. vermeintlich, eingebildet, irrtümlich) und überschreitet der Täter zudem selbst die Grenzen einer potenziellen Notwehr, kommt nach e.A. über den Wortlaut des § 33 StGB hinaus ein Putativnotwehrexzess in Betracht.
Beispiel: B denkt, der A geht mit einem Schlagstock auf ihn zu und will ihn ausrauben, weshalb er ihm einen tödlichen Schuss in den Kopf verpasst. In Wirklichkeit floh der A lediglich mit seinem Knirps (Regenschirm) in der Hand vor dem plötzlichen Starkregen.
II. Rechtfertigung |
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III. Schuld |
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1. Objektive Voraussetzungen |
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a) Notwehrlage - gegenwärtiger - rechtswidriger - Angriff auf ein notstandsfähiges Rechtsgut |
Angriff liegt noch nicht oder nicht mehr vor. |
e.A. über Wortlaut hinaus: |
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Angriff liegt / lag nie vor, aber Täter irrt hierüber und überschreitet zudem die Grenzen einer potenziellen Notwehr. |
e.A. über Wortlaut hinaus: |
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b) Notwehrhandlung - erforderliche - gebotene - Verteidigungshandlung (ggü. Angreifer) |
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Notwehrhandlung ist nicht erforderlich und / oder geboten (aufgrund zu intensiver Gegenmaßnahmen). |
Regelfall des Wortlauts: |
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2. Subjektive Voraussetzungen (str.) - Kenntnis der Notwehrlage - Verteidigungsabsicht |
Dem Täter fehlen die subjektiven Elemente der Notwehr. |
Kein Entschuldigungsgrund (§ 33 StGB), aber nach ...
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Intensiver Notwehrexzess
Objektive Voraussetzungen
Bestehen einer Notwehrlage (§ 32 StGB)
Siehe das Schema zur Notwehr (§ 32 StGB).
Überschreiten der Grenzen der Notwehr
Die Notwehrhandlung des Täters überschreitet in ihrer Intensität die Grenzen des § 32 StGB. Sie ist also nicht erforderlich und / oder geboten.
Findet § 33 StGB auch Anwendung, wenn die Notwehrhandlung nicht geboten ist?
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Fall1: Krasses Missverhältnis zwischen zu schützendem und angegriffenem Rechtsgut (siehe § 32 StGB)
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h.M.: (-) Nein
Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung nicht anwendbar
(pro) Keine hinreichende Unrechtsminderung durch Handlung des Täters. -
a.A.: (+) Ja
Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung auch hier anwendbar.
(pro) Wortlaut nimmt keine Einschränkung vor.
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Fall 2: Notwehrprovokation
-
h.M.: (+/-) Differenzierend
Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung ist...-
(-) nicht anwendbar in Fällen der absichtlichen Notwehrprovokation.
(pro) Hier wurde bereits die Notwehrlage vorwerfbar herbeigeführt.
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(+) anwendbar in Fällen der sonst vorwerfbaren Notwehrprovokation.
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a.A.: (-) Nein
Notwehrexzess mit Rechtsfolge der gänzlichen Strafbefreiung in beiden Fällen nicht anwendbar.
(pro) Der Täter startet die Provokation noch ohne asthenischen Affekt und kann sich dann nicht auf seine durch den Angriff ausgelöste Furcht o.ä. berufen (vgl. die Argumente zur actio libera in causa).
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Asthenischer Affekt
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Anforderung
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Asthenische Affekte
Der Täter muss aus hochgradiger Furcht, Verwirrung oder Schrecken (asthenische Affekte; lat. heftige Gemütsbewegung der Schwäche) handeln. -
Nicht: sthenische Affekte
Nicht entschuldigt sind hingegen Handlungen aus Wut, Hass, Zorn (sthenische Affekte; lat. heftige Gemütsbewegung der Stärke / Kraft).
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Begründung
Besondere, durch den Ursprungstäter verursachte psychische Ausnahmesituation; heftige Emotionalität kann kognitive Entscheidungs- und Steuerungsprozesse beeinträchtigen (emotionale Kurzschlussreaktion). -
Indizien dafür
Keine Vorbereitung oder Ankündigung, impulsive Tathandlung, widersprüchliches Nachtatverhalten. - Indizien dagegen
Längerer Konflikt mit dem Opfer, lange andauernde Tathandlung, konsequentes Nachtatverhalten.
Subjektive Voraussetzungen (str.)
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e.A.: Die exzessive Notwehrhandlung des Täters muss in Verteidigungsabsicht (dolus directus 1. Grades) erfolgen.
(pro) „um … zu“ im Wortlaut der Notwehr (§ 32 StGB) und hier Verweis auf diese -
a.A.: Keine subjektiven Elemente erforderlich
(pro) Erforderlichkeit subjektiver Elemente ist bereits i.R.d. Notwehr nach § 32 StGB strittig.; beim vorliegenden § 33 StGB zudem kein „um… zu“ im Wortlaut.
Extensiver Notwehrexzess
Gilt § 33 StGB auch in Fällen des zeitlich extensiven Notwehrexzesses (zu frühes oder zu spätes Handeln)?
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h.M.: (-) Nicht anwendbar
(pro) Wortlaut: Ohne Notwehrlage ist das Notwehrrecht gar nicht erst entstanden. Existiert dieses Recht nicht (mehr) können auch seine Grenzen nicht überschritten werden. -
a.A.: (+/-) Nicht anwendbar auf das zu frühe Handeln, anwendbar auf das zu späte Handeln
(pro) Wortlaut: Bei zu spätem Handeln lag die Notwehrlage mal vor und ihre (zeitlichen) Grenzen werden überschritten. -
a.A.: (+) Stets anwendbar
(pro) Telos: Das etwas zu frühe oder zu späte Handeln (keine gegenwärtige Notwehrlage) ist psychologisch ebenso auf einen Affekt zurückzuführen wie z.B. das zu intensive Handeln (keine gebotene Notwehrhandlung).
Putativnotwehrexzess
Es handelt sich um eine Kombination aus einem Erlaubnistatbestandsirrtum (Täter stellt sich irrig Gründe vor, die zum Vorliegen eines Notwehrrechts führen würden) und einem Notwehrexzess (Täter würde selbst in diesem Fall die Grenzen der Notwehr überschreiten).
Gilt § 33 StGB auch in Fällen des Putativnotwehrexzesses?
- h.M.: (-) Nicht anwendbar, stattdessen ggf. indirekter Verbotsirrtum (§ 17 StGB).
(pro) Wortlaut: Notwehr muss objektiv vorliegen (nicht: „die vorgestellten Grenzen der Notwehr“). -
a.A.: (+) § 33 StGB analog anwendbar, wenn der Irrtum unvermeidbar war oder das Opfer den Irrtum mitverschuldet hat.
(pro) Telos: Auch dann geringer Schuldvorwurf an den Täter.